Erwartungen an die Partnerin oder den Partner können eine Beziehung belasten

Unrealistische Erwartungen an die Partnerin oder den Partner können eine Beziehung gefährden. In diesem Beitrag findest du Informationen über den Umgang mit Erwartungen in der Partnerschaft.

Erwartungen an die Partnerin oder den Partner können eine Beziehung belasten
© Anoir Chafik, unsplash.com

Die meisten Menschen stellen Erwartungen an sich, an andere und an das Leben generell. Es ist ganz schwierig, insbesondere bei den Dingen, die uns wichtig sind, keine Erwartungen zu haben. Selbst Mönche müssen ein Leben lang daran arbeiten, sich von Erwartungen zu lösen.

Wenn wir eine Partnerschaft eingehen, haben wir ganz bestimmte Erwartungen an unsere Partnerin oder unseren Partner. Wir wollen auf alle Fälle, dass es uns besser geht, als wenn wir alleine leben. Wir können eine ganze Liste mit unseren Erwartungen füllen: Beispielsweise erwarten wir von ihr oder ihm Treue, Ehrlichkeit, Loyalität, Liebe, Achtung, Vertrauen, Nähe, Freiheit, Verständnis, Unterstützung, gleiche Lebensziele, finanzielle Sicherheit, befriedigende Sexualität. So lange wir nur Wünsche und Erwartungen haben, sind wir lediglich enttäuscht, wenn unsere Partnerin oder unser Partner unsere Erwartungen nicht erfüllt. Stellen wir hingegen Forderungen statt Erwartungen an unseren Partner, reagieren wir bei Nichterfüllung heftiger, nämlich mit Wut und Verbitterung.

Was ist für eine gesunde Partnerschaft wichtig?

Für eine glückliche Partnerschaft ist wichtig,

  • dass wir nichts von unserer Partnerin oder unserem Partner fordern, sondern nur wünschen.
  • dass wir unsere Erwartungen offen aussprechen, sodass unsere Partnerin oder unser Partner frei entscheiden kann, wie sie oder er damit umgeht. Die Gedanken kann unser Gegenüber nicht lesen - auch wenn sie oder er uns noch so sehr liebt.
  • dass wir unserer Partnerin oder unserem Partner erlauben, unsere Erwartungen nicht (immer) zu erfüllen.
  • dass wir sie oder ihn bei Nichterfüllung nicht mit Vorwürfen oder Schmollen bestrafen.
  • dass unsere Partnerin oder unser Partner unsere Wünsche wichtig nimmt und sich bemüht, sie zu erfüllen.
  • dass wir versuchen zu verstehen, weshalb sie oder er sie nicht erfüllt oder erfüllen kann.
  • dass wir für uns abwägen, welche Erwartungen für uns lebenswichtig sind und welche wir aufgeben können, weil es sich nicht lohnt, dafür die Partnerschaft zu strapazieren.

Ein Beispiel aus der Paarberatung

Meine Frau ist eine leidenschaftliche Sportlerin, sie läuft sogar Marathon. Jetzt schwärmt sie mir immer wieder von ihrem attraktiven Trainer vor und stellt ihn mir als Vorbild hin. Gleichzeitig nörgelt sie an meinem Gewicht herum und will, dass ich auch Sport mache und abnehme. Muss ich mich diesem Schönheitswahn anschließen?

Meine Antwort:

Ihre Frau lebt in einer Welt, in der das Körperbewusstsein eine große Bedeutung hat. Sie hat offensichtlich auch sehr viel Spaß daran, Erfahrungen mit ihrem Körper zu machen und sich auszupowern. Sie sind vermutlich ganz entgegengesetzt, fühlen sich wohl ohne viel Bewegung und genießen das Essen. Zwischen diesen beiden Polen gibt es wahrscheinlich noch eine ganze Menge Spiel. Ich frage mich, ob sie sich beide nicht ein wenig entgegenkommen können.

Voraussetzung dafür ist, dass Sie und Ihre Frau jeweils die Position des anderen verstehen und nicht abwertend darüber sprechen. Der Begriff Schönheitswahn ist ebenso missachtend wie z.B. das Wort Couchpotatoe. Kleine Schritte auf die Vorstellung des anderen zu sind sicher zu empfehlen. Die Grenze ist da, wo Sie das Gefühl haben, sich vollkommen aufzugeben, nur um gemocht zu werden. Sie müssen sich also fragen: "Bin ich dann noch ich selbst? Entspricht dieses Bild, das meine Frau von mir haben möchte, auch noch den Vorstellungen, die ich von mir habe?" Sie könnten freiwillig entscheiden, sich eine körperliche Aktivität zu wählen, die Sie noch am liebsten von allen ausüben würden, und diese einmal ausprobieren. Möglicherweise können Sie daran Gefallen finden und sich damit sogar etwas besonders Gutes tun. Auch Ihre Frau könnte ein wenig an sich arbeiten.

Ein Wunsch ist für Sie sehr viel leichter anzunehmen, als sich unter Druck zu verändern. Wenn sie auf kleine Veränderungen positiv reagiert und nicht gleich mit einem anderen Partner droht, dann fällt es Ihnen auch leichter, Neues auszuprobieren. Die Botschaft „Ich mag dich so, wie du bist. Noch mehr Spaß mit dir würde es mir machen, wenn ...“ würde sicher auch eine Tür bei Ihnen öffnen.

Erwartungen in der Beziehung: Hilfreiche Fragen

Folgende Fragen kannst du dir stellen, wenn du das Gefühgl hast, dass in deiner Partnerschaft zu hohe Erwartungshaltungen bestehen: 

  • Welche Erwartungen stellst du an deine Partnerin oder deinen Partner? Du erkennst sie am besten in den Situationen, in denen dein Gegenüber sie nicht erfüllt und du ärgerlich oder enttäuscht reagierst.
  • Wie würdest du dich anders fühlen, wenn du deiner Partnerin oder deinem Partner erlauben würdest, deine Erwartung "nicht immer", aber "oft" zu erfüllen?
  • Lässt du deine Partnerin oder deinen Partner an deiner Freude teilhaben, wenn sie oder er deine Wünsche erfüllt?
  • Wie häufig bemühst du dich darum, die Wünsche deiner Partnerin oder deines Partners zu erkennen und zu erfüllen?
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Doro schreibt am 26.05.2024

Hallo Frau Dr. Wolf,

das Problem das ich in meiner Beziehung sehe und wodurch ich nach und nach die Gefühle verliere weil ich inzwischen ohne es zu wollen von Enttäuschungen ausgehe (die leider in 90% der Fälle bestätigt werden) ist, dass wir sehr offen unsere Wünsche kommunizieren und während ich seine aktiv angehe fällt es ihm sehr schwer auf meine Bedürfnisse einzugehen da er nunmal sehr vergesslich ist. Er vergisst schlichtweg mich zurück zu rufen wenn er mir beteuert hat dass er es tun wird, oder mir eine Karte zu schicken die ich mir wünsche und die er mir zugesichert hat, oder Bescheid zu sagen wenn sich ein geplantes Telefonat verschiebt weil etwas dazwischengekommen ist (wir führen eine Fernbeziehung in der wir uns ca. alle 2 Wochenenden sehen). Ich habe es schon so oft angesprochen und ihm ist das Problem auch bewusst, aber mit jeden Gespräch in dem er mir versichert dass es besser wird, kommt einfach keine Besserung und der Alltag holt ihn wieder ein. Es sei ja so stressig und da hat er daran ja nicht mehr denken können sind häufige Aussagen.

Ich merke einfach dass ich ihm nicht mehr glaube und dass ich ihm gegenüber eine Abneigung empfinde sobald wieder eine Zusicherung kommt, da mein Kopf automatisch denkt 'Da bin ich mal gespannt.' oder 'Das wird wieder nix.'

Ich liebe ihn und wenn wir zusammen sind haben wir auch viel Spaß, aber ich habe Angst dass er mir diese Zuverlässigkeit auf die ich so viel Wert lege nicht geben kann. Ich sehe keinen Ausweg und mir geht es mit diesen Gedanken zunehmend schlechter. Er weiß davon und sagt er versucht sich zu bessern. Aber das, wie sich vielleicht bereits vermuten ließ, klappt einfach nicht.

Was würden Sie uns raten?

Beste Grüße
Doro


Inhalt des Beitrags   
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 Was ist für eine gesunde Partnerschaft wichtig?
 Ein Beispiel aus der Paarberatung
 Erwartungen in der Beziehung: Hilfreiche Fragen
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