Mein Mann überwacht mich

Als er bei unserer Heirat schwor nie mehr von meiner Seite zu weichen konnte ich nicht ahnen wie wörtlich er das meinte. Er ist wie eine Klette: Wo ich bin muss auch er sein.

Mein Mann überwacht mich
© PAL Verlag

Christina schildert folgendes Problem:

Als er bei unserer Heirat schwor, nie mehr von meiner Seite zu weichen, konnte ich nicht ahnen, wie wörtlich er das meinte. Er ist wie eine Klette: Wo ich bin, muss auch er sein. Wie heißt es doch so schön in dem alten Schlager: "Wir wollen niemals auseinander gehen". Die Vorstellung fand ich früher ja auch ganz schön. Ich habe ja nicht geahnt, dass das so ein Albtraum sein kann.

Mein Mann erträgt es einfach nicht, alleine zu sein. Wenn ich einen Abend mit Arbeitskollegen verbringe, will er unbedingt dabei sein. Wenn ich mich mit Freundinnen treffe, kann ich ihn nur mit größter Mühe davon überzeugen, dass er als einziger Mann in der Runde doch recht störend, um nicht zu sagen völlig deplatziert wirken würde.

Wenn ich mal länger im Büro bleiben muss, ruft er ständig an und fragt, wann ich nach Hause komme. Und sagt, dass er so alleine sei und Langeweile hätte. Natürlich vermisst er auch sein Abendbrot, aber bevor er hungert, macht er sich dann doch lieber eine Dose Erbsensuppe auf. Er holt mich abends immer ab, egal von wo.

Das ist dann oft ziemlich peinlich, wenn er bei einer Freundin klingelt und mich heimholt, während die anderen noch weiterfeiern. Da komme ich mir vor wie eine 17-Jährige, die noch nicht mit den Großen weggehen darf. Gehen wir zusammen einkaufen, wünsche ich mir, dass mal jemand so eine Kugelkiste, wie es sie bei IKEA für Kleinkinder gibt, für Männer erfindet. Da würde ich meinen Mann dann abgeben.

Denn überall muss er seinen Kommentar dazu geben, er folgt mir bis in die Umkleidekabine. Bin ich mal alleine zum Shoppen unterwegs, ruft er mich ständig auf dem Handy an und fragt, was ich gerade tue und mache. Aber immer ganz lieb.

Meine beste Freundin vermutete schon Eifersucht hinter seinem Verhalten. Aber das glaube ich nicht. Ich weiß, dass er es nur gut meint und so anhänglich ist, weil er mich so liebt. Doch Tatsache ist auch, dass mein Mann keine Hobbys hat. Er trifft sich weder mit Arbeitskollegen noch mit Freunden. Es tut mir direkt Leid, dass er so gar keinen Anschluss findet. Aber das kann ich doch nicht ausbaden.

Ich versuche ja schon, wann immer es geht, etwas mit ihm zusammen zu unternehmen. Aber mal möchte ich auch etwas für mich alleine unternehmen. Wenn das so weitergeht, erdrückt er mich noch mal mit seiner Umklammerung. Mich und unsere Liebe.

Peter, ihr Mann, sagt dazu:

Ich verstehe nicht, was falsch daran sein soll, wenn ein Mann mit seiner Frau zusammen sein will. Christina und ich sind so seelenverwandt, so wesensgleich, dass ich sie am liebsten immer um mich haben möchte.

Ich interessiere mich einfach dafür, was sie so erlebt und möchte alles mit ihr teilen. Ich sehe doch, wie viele Partnerschaften um uns herum in die Brüche gehen, weil die Partner keine Zeit mehr füreinander haben, keine Gemeinsamkeiten haben.

Die meisten Frauen beklagen sich doch darüber, dass ihr Mann zu wenig Zeit für sie hat. Jetzt soll es falsch sein, Zeit zu haben? Die Partnerin zu begleiten? Christina ist die Frau, die ich mein Leben lang gesucht habe. Ihretwegen habe ich meine früheren Hobbys alle aufgegeben; ich möchte meine Zeit ihr widmen.

Es kränkt mich dann schon sehr, wenn sie mich zurückweist oder wie einem Schuljungen verbietet, irgendwo hinzugehen. Ich merke schon selbst, wenn ich stören sollte.

Dr. Doris Wolf antwortet:

Eine Partnerschaft lebt u.a. durch den Wechsel von Nähe und Distanz. Partner, die nie etwas zusammen unternehmen, verlieren den Kontakt, die Nähe und das Verständnis für den anderen. Bei Partnern hingegen, die alles gemeinsam unternehmen, gehen das Prickeln und die Neugier verloren.

Partner können sich nur in ihrer Unabhängigkeit und in ihrem Selbstvertrauen stärken, wenn sie auch alleine etwas unternehmen. Beide können zudem Aktivitäten nachgehen, die dem anderen nicht liegen. Die Sehnsucht nach dem anderen kann in seiner Abwesenheit neu entstehen. Wenn nur einer der Partner klammert, dann gibt es Konflikte.

Entweder man unternimmt alles gemeinsam, und der, der nicht so viel Nähe braucht, fühlt sich unter Druck und wie in Gefangenschaft. Oder aber der Partner mit übergroßem Nähebedürfnis fühlt sich ungeliebt und allein gelassen.

Was Sie tun können

  1. Pflegen Sie in Ihrer Partnerschaft eigene Interessen und einen eigenen Freundeskreis. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, sich unabhängig vom Partner Unterstützung zu holen und Zufriedenheit zu verschaffen.
  2. Wenn Sie Ihren Partner lieben, dann sollten Sie sich fragen, was ihm gut tut. Geben Sie ihm, was er braucht, dann können Sie sich seiner Liebe ziemlich sicher sein.
  3. Entwickeln Sie mit Ihrem Partner Rituale, wann Partnerzeit ist und wann jeder für sich alleine etwas unternimmt. So kann jeder sicher sein, seine Bedürfnisse erfüllt zu bekommen.
  4. Machen Sie sich nicht zum Sklaven Ihres Handys. Überlegen Sie sich, ob Sie das Handy nicht nur in Krisensituationen nutzen wollen, und ansonsten Ihre Erfahrungen vom Tag nicht am Abend persönlich miteinander austauschen wollen.
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