Wer entscheidet und hat das Sagen in eurer Beziehung?

Sind beide Partner im Alltag und bei wichtigen Entscheidungen gleichberechtigt? Wenn nicht, kann das zu Problemen in der Beziehung führen. In diesem Beitrag erfährst du, wie ihr eine Beziehung auf Augenhöhe führen könnt.

Wer entscheidet und hat das Sagen in eurer Beziehung?
© Mason Hassoun, unsplash.com

Bis vor wenigen Jahrzehnten war es in Deutschland noch gesetzlich geregelt, dass der Mann in allen Fragen des Familien- und Ehelebens das Entscheidungsrecht hat. Durch den gesellschaftlichen Wandel nach dem Zweiten Weltkrieg und das große Engagement von Frauenrechtler:innen haben diese festen Regelungen in Paarbeziehung und Familie in den letzten Jahrzehnten eine grundlegende Änderung erfahren: Frauen bekamen auch vor dem Gesetz immer mehr Rechte zugeschrieben.

Heute kann von einer Gleichberechtigung von Frau und Mann innerhalb einer Beziehung gesprochen werden. Dazu beigetragen hat auch, dass sich immer mehr alternative Beziehungsmodelle zur Ehe in unserer Gesellschaft etabliert haben – sowohl in Beziehungen zwischen Frau und Mann als auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Dennoch bleibt die Frage, ob und wie Gleichberechtigung in der Partnerschaft in der Realität gelebt wird. Was geschieht, wenn beide sich nicht auf Augenhöhe begegnen? Was gewinnt eine Beziehung, die auf Gleichberechtigung baut, und wie kann diese im Alltag immer wieder aufs Neue gelebt werden?

Quellen für eine fehlende Gleichberechtigung in der Beziehung

Auch wenn die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann in der Ehe "auf dem Papier" besteht, und auch, wenn moderne Beziehungen im Prinzip darauf aufbauen, gibt es auch heute noch in vielen Partnerschaften Konflikte um die Frage, wer "das Sagen" hat, wenn Entscheidungen getroffen werden. Dabei ist es laut Untersuchungen zwar immer noch so, dass Männer eher Frauen dominieren. Grundsätzlich kann das aber natürlich auch in umgekehrter Richtung funktioniern und ist nicht ein reines Mann-Frau-Thema. 

Fehlt die Gleichberechtigung, dann fühlt sich eine oder einer der beiden schnell bevormundet und in ihren oder seinen Bedürfnissen nicht ernst genommen. Wenn dieses Konfliktfeld nicht offen ausgesprochen und geklärt wird, kann es auf Dauer zu ernstzunehmenden Problemen in der Beziehung führen.

Quellen für fehlende Gleichberechtigung gibt es viele im Beziehungsalltag, vor allem wenn Kinder vorhanden sind. Probleme entstehen meist, wenn unklar ist,

  • wer bestimmen kann, was mit "ihrem oder seinem Geld" geschieht, vor allem, wenn die Einkommen ungleich verteilt sind: Wer Verfügungsmacht über das Haushaltsgeld hat und wer die großen und kleinen Ausgaben regelt bzw. die Anschaffungen aussucht.
  • wer das Recht hat, Einfluss auf den Freundeskreis, den Arbeitsplatz, das Hobby, die Einteilung des privaten Geldes der oder des anderen zu nehmen.
  • wer für welchen Aufgabenbereich im Familienleben zuständig ist.
  • wer über die Kindererziehung und die Ausbildung der Kinder bestimmt.
  • wer über das Fernsehprogramm entscheidet.
  • wer sich bei der Urlaubswahl durchsetzt.
  • wer zurückstecken muss, wenn große Veränderungen anstehen, beispielsweise ein Orstwechsel aufgrund eines neuen Jobs.

Setze dich mit deiner eigenen Einstellung zur Gleichberechtigung in eurer Beziehung auseinander

Um der Frage der Gleichberechtigung in deiner Beziehung positiv und aufgeschlossen zu begegnen, ist es hilfreich, wenn du zunächst deine eigenen Einstellungen dazu hinterfragst. Es geht darum herauszufinden, welche Aufgaben und Rollen du in der Beziehung bewusst und unbewusst, lieber und weniger gerne übernimmst. Folgende Fragen helfen dir, deine Einstellung und deine Position zu deiner Partnerin oder deinem Partner innerhalb der Beziehung zu klären. Das ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer Gleichberechtigung:

  • Findest du, dass Männer und Frauen sich grundsätzlich die Hausarbeit teilen sollten?
  • Hast du schon einmal Fahrradreifen gewechselt?
  • Bist du zuständig, wenn es darum geht, euer Kind zu wickeln und zu versorgen?
  • Kümmerst du dich regelmäßig um die Wäsche?
  • Kochst du häufiger und kochst du besser?
  • Können Frauen besser Auto fahren als Männer?
  • Ist Verhütung Frauen- oder Männersache?
  • Wolltest du früher so werden wie deine Mutter oder dein Vater?
  • Bist du gerne eine Frau bzw. ein Mann oder wärst du in eurer Beziehung auch einmal gerne das andere Geschlecht? 

Diese Fragen sind beispielhaft und keineswegs erschöpfend. Auch gibt es kein Richtig oder Falsch. Denn wahrscheinlich findet sich kein Paar, das sagen würde, es würde sich sämtliche Aufgaben teilen, weil beide alles gleich gern und gleich gut machen. Viel realistischer ist es, dass eine oder einer von beiden dies oder jenes besser kann oder eben mehr Lust und Zeit hat, es zu machen. Wichtig ist, dass beide ihre jeweiligen Aufgaben gerne übernehmen und sich dadurch nicht zurückgesetzt oder erniedrigt fühlen.

 

4 Tipps, wie ihr eine Beziehung auf Augenhöhe lebt

Eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen bedeutet, auf seine Partnerin bzw. seinen Partner zu achten – auf ihre oder seine Bedürfnisse und Vorlieben, die Kraft und Zeit. Aber es bedeutet auch, auf sich selbst und seine Situation zu achten und das dem Gegenüber zu kommunizieren. Das gilt übrigens nicht nur für Partnerschaften, sondern für jegliche Beziehung im Spannungsfeld von persönlicher Freiheit bzw. Selbstverwirklichung und einer vertrauten Verbundenheit.

Diese vier Tipps helfen euch dabei, eine gleichberechtigte Beziehung zu leben:

Tipp 1: Schafft euch einen Raum für Gefühle

Entwickelt einen quasi vom Alltag geschützten Raum, in dem ihr euch gegenseitig mitteilen könnt, wie es euch mit der oder dem anderen bzw. in einer bestimmten Situation geht. Das kann ein Chat auf dem Handy sein, den nur ihr beide einsehen könnt, oder es kann eine bestimmte Zeit am Tag sein, etwa vor dem Einschlafen. Der intime Raum für Gefühle schafft einen ganz besonderen vertrauten und nahen Rahmen.

Tipp 2: Hört euch gegenseitig einfach nur zu

Oft hilft es, die Emotionen deiner Partnerin oder deines Partners anzuerkennen und ernstzunehmen, indem du ihre oder seine Aussagen stehen lässt. Du musst sie nicht immer kommentieren, musst keine Lösung dafür entwickeln und du solltest schon gar nicht versuchen, sie wegzudiskutieren, wenn sie problematisch sind. Allein die Möglichkeit, das eigene Befinden ausdrücken zu können, nimmt den Emotionen meist die Schwere. Und zu einer Lösung kommt ihr oft in einem zweiten Schritt, vielleicht am nächsten Tag, wenn die erste Anspannung weniger geworden ist. Dann habt ihr den Abstand, gemeinsam konstruktiv zu werden.

Tipp 3: Nehmt nichts als selbstverständlich an

Beziehungen leider oft unter den sich leise eingeschlichenen Routinen. Darunter, dass du wie selbstverständlich die eine oder andere Aufgabe übernimmst, obwohl sie dich eigentlich nervt. Oder dass du selbstverständliche Erwartungen an deine Partnerin oder deinen Partner hast, nach dem Motto: Es ist doch klar, dass ich einen Cappuccino zum Frühstück nehme. Wenn du diese Haltung veränderst und nichts als selbstverständlich siehst, dann gibst du euch die Chance, euch immer wieder neu zu begegnen. Ein wichtiges Hilfsmittel ist zu fragen und Fragen zuzulassen. Übt euch darin, den Zauber der ersten Begegnung nicht zu verlieren und erinnert euch an die Zeit, in der ihr euch wirklich zum ersten Mal begegnet seid.

Tipp 4: Zeigt euch jeden Tag Dankbarkeit

Schon ein kleines Dankeschön ist ein wahrer Alleskleber für eure Beziehung, denn es zeigt Liebe und Wertschätzung, Anerkennung und Respekt – wichtige Zutaten für eine gleichbereichtige Beziehung. Deiner Partnerin oder deinem Partner dafür zu danken, die großen und kleinen Aufgaben des Alltags zu übernehmen, nutzt sich nie ab, sondern bestärkt sie oder ihn ebenso wie dich selbst in dem Entschluss füreinander.

Ihr habt jeden Tag die Chance, eine gleichberechtigte Beziehung zu führen

Beziehungen verändern sich ständig, weil wir Menschen uns ständig verändern. Deshalb kann es auch dir bzw. euch gelingen, mehr Gleichberechtigung in eurer Beziehung zu etablieren. Seid achtsam für die Gefühle der oder des anderen, sprecht miteinander über das, was euch bewegt und was ihr euch voneinander wünscht, genießt euer Anderssein als Bereicherung und zeigt euch Dankbarkeit für das, was für die Beziehung tut.

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