Wir haben ein unterschiedlich häufiges Bedürfnis nach Sex

Mein Mann verlangt zu den unmöglichsten Zeiten und an den unmöglichsten Orten Sex von mir. Eigentlich könnte ich mich ja geschmeichelt fühlen nach so vielen Jahren Ehe noch so begehrt zu werden. Aber er übertreibt es wirklich.

Wir haben ein unterschiedlich häufiges Bedürfnis nach Sex
© Pablo Heimplatz, unsplash.com

Sandra schildert folgendes Problem:

Mein Mann verlangt zu den unmöglichsten Zeiten und an den unmöglichsten Orten Sex von mir. Eigentlich könnte ich mich ja geschmeichelt fühlen, nach so vielen Jahren Ehe noch so begehrt zu werden. Aber er übertreibt es wirklich - im wahrsten Sinn des Wortes.

Ich habe meiner besten Freundin schon mal davon erzählt - die dachte, ich wollte sie auf den Arm nehmen. Die äußerte sich so in der Richtung "Na, deine Sorgen möchte ich haben - sei doch froh!" Das hat sie ihm auch einfach nicht zugetraut.

Timo ist nämlich so ein ganz ruhiger Typ, ja, er wirkt beinahe ein wenig intellektuell. Aber das ist so ein typischer Fall für "Stille Wasser sind tief", denn zuhause benimmt er sich wie ein Steinzeitmensch, der sein Weibchen an den Haaren in die Höhle schleppt.

Nur ein paar Beispiele: Wenn ich in der Küche stehe und abwasche, umfasst er von hinten meine Brüste und reibt sich an meinem Po. Wenn ich unter der Dusche stehe, stellt er sich mit dazu. Kaum sitzen wir auf dem Sofa vor dem Fernseher, fängt er an zu fummeln - selbst bei der Tagesschau. Ich kann noch so müde sein, er macht an mir herum und will sein Vergnügen.

Unterwegs ist es nicht anders. Wenn wir einen Waldspaziergang machen, will er es mit mir im Gebüsch tun. Oder auf einer Wiese. Er will Sex im Fahrstuhl, Sex im Parkhaus. Ich mag schon bald gar nicht mehr alleine mit ihm unterwegs sein. Und dann immer und überall diese anzüglichen Bemerkungen. Aus allem macht er ein Wortspiel mit sexueller Bedeutung.

Das törnt mich aber total ab und das habe ich ihm immer wieder gesagt - zwecklos. Wie ein pubertierender Teenager macht er mich an. Und wehe, ich weise ihn zurück. Dann mault er gleich, ich solle mich nicht so anstellen. Er hat mich sogar schon als frigide beschimpft.

Sex ist für ihn so eine Art Blitzableiter und Selbstbestätigung - ich brauche es lieber langsam und mit Gefühl. Und nicht zwei- oder dreimal täglich, wie er es gerne hätte. Im Sommer ist es immer besonders schlimm. Neulich hat er mich sogar gefragt, ob ich nicht Lust auf einen Partnertausch im Swingerclub hätte. Was für ein absurder Gedanke, das käme für mich nie in Frage. Ich liebe meinen Mann und habe auch gerne ab und zu Sex mit ihm - aber es ist, als wenn er immer triebhafter wird.

Timo, ihr Mann, sagt dazu:

Ich weiß gar nicht, was Sandra hat. Sex ist doch etwas Wunderschönes und gehört zu einer Ehe auch einfach dazu. Was ist denn gegen eine schnelle Nummer zwischendurch einzuwenden? Davon schwindet weder das Rückenmark noch der Verstand. Wir sind schließlich erwachsene Menschen.

Und so lange, wie wir verheiratet sind, sollte sie doch eigentlich froh sein, dass ich immer noch sie begehre. Wenn ich nur höre, was meine Kollegen so alles an Affären haben! Bei denen ist es umgekehrt: Die verausgaben sich auswärts so, dass sie dann zuhause keine Lust mehr haben. Das kann es ja nun auch nicht sein, oder?

Aber wenn ich sexuell nicht auf meine Kosten komme, muss wirklich überlegen, ob ich mir den sexuellen Kick woanders hole. In den Medien sind ja ständig Berichte, was es da alles noch so an Spielarten gibt. Ich bin nun mal einfach neugierig.

Dr. Doris Wolf antwortet:

Über sexuelles Verlangen läßt sich nicht streiten. Menschen unterscheiden sich darin, wie oft sie Lust auf Sex haben, wie sie erregt werden und was sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse benötigen. Natürlich spielt auch eine Rolle, welchen Stellenwert im Leben man der Sexualität generell beimisst. Manchen Menschen genügt einmal im Monat Geschlechtsverkehr, andere wollen mehrmals täglich.

Sandra und Timo liegen in ihren Bedürfnissen sehr weit auseinander. Je mehr Timo verlangt, desto stärker wird sich Sandra von ihm zurückziehen, bis sie sich vielleicht sogar vor ihm ekelt. Andersherum wird Timo aber auch immer mehr fordern, je stärker sich Sandra verweigert. Drohungen, fremdzugehen, oder der Vorwurf der Frigidität helfen in einer solchen Situation nicht, sondern verschärfen sie nur.

In einer Partnerschaft gibt es nicht die Verpflichtung, immer Lust haben zu müssen, wenn der Partner Lust hat. Timo und Sandra müssen aus diesem Kreislauf heraus und miteinander reden, wie sie beide wieder Freude am Sex empfinden können.

Was beide tun können

  1. Timo sollte sich mehr darum bemühen, die sexuellen Vorlieben von Sandra zu erfüllen. Dann wird sie auch mehr Lust empfinden.
  2. Timo sollte die Grenzen von Sandra akzeptieren. Wenn sie müde ist oder dem Swinger-Club ablehnt, dann sollte er dieses Nein akzeptieren. Die Grenze der Neugierde ist da, wo ein Partner nicht mehr mitgehen möchte.
  3. Sandra muss lernen, mit den Berührungen von Timo wieder etwas Positives zu verknüpfen.
  4. Sandra sollte sich überlegen, ob sie Timo nicht ab und zu mit ihren Händen befriedigen will - wenn sie keine Lust hat, so dass beiden gedient ist. Unter Umständen ist Timo aber auch sexsüchtig, was abzuklären wäre.
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Nepomok schreibt am 23.04.2024

Der Bundesgerichtshof hat 1966 geurteilt: „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen (...) versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet.“

Die Rechtssprechung ist mittlerweile überholt. Was der BGH dort ausspricht ist nichts anderes, als das was an allen Orten und zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte als Selbstverständlichkeit angenommen wurde. Zehn Prozent der Menschen (Westliche Welt) in einem Prozent ihrer Geschichte (Nachkriegszeit) behaupten etwas anderes. Ein Prozent von zehn Prozent bedeutet, dass historisch 0,1 Prozent der Menschen die Sichtweise des BGH nicht teilen. Dieses einfache Zahlenspiel legt schon nahe, dass Sandra mit ihrer Sichtweise zwar in ihrer feministischen Bubble sich viele Freunde macht. Gemeinhin aber auf Ablehnung und Unverständnis trifft.

Die Lust fällt nicht vom Himmel. Sie braucht einen äußeren Reiz, um ausgelöst zu werden. Und Männer sind nun mal wesentlich leichter erregbar als Frauen. Nur deswegen verlangen sie wesentlich häufiger nach Sex. Haben Männer deshalb einen moralischen Anspruch auf Sex? Nein!

Auf der anderen Seite ist der Kinderwunsch bei Frauen deutlich ausgeprägter als bei Männern. In 95 Prozent der Fälle wird das Sorgerecht vom Familiengericht unstreitig zugeteilt. Und in 85 Prozent der Fälle geht es an die Frau. Männer wollen es gar nicht. Haben Frauen deswegen einen moralischen Anpruch auf ein Kind? Nein!

Die unterschiedliche Bedürfnislage macht einen Tausch möglich. Sie schenkt ihm Sex. Und er stürzt sich mit ihr ins Abenteuer Familie. Sie können das auch beide bleiben lassen. Hochgradig egoistisch ist es allerdings, als Frau das eigene Bedürfnis nach einem Kind dem Mann gleichermaßen zu unterstellen, und daraus abzuleiten, es bedürfe keiner Gegenleistung mehr. Sandra ist sich ihres Egoismuses nicht bewusst. Das nennt man kognitive Verzerrung. Ihr Kindheits-Ich verlangt in seinem rasenden Egoismus nach Kind und Befreiung von aller sexuellen Pflicht gleichermaßen. Ihr Erwachsenen-Ich strickt ihr dann die schöne aber falsche Erklärung, Timo habe doch unbedingt ein Kind gewollt. Sandra belügt sich in erster Linie also selbst. Unbewusst.

Fazit: Wenn Sandra keinen Sex mit Timo haben will, ist das ihr gutes Recht. Dann sollte sie aber auch bereit sein, auf ihren Kinderwunsch zu verzichten oder ihre Kinder alleine großziehen.


Günther schreibt am 09.07.2022

In unserer Gesellschaft führen wir in aller Regel monogame Beziehungen. Ins Kino gehen, Konzerte besuchen mit dem anderen Geschlecht ist in der Regel keine Belastung für eine (gesunde) Beziehung. Die unterschiedlichen sexuellen Bedürfnisse aber auch unterschiedlich zu begegnen wollen Frauen in aller Regel nicht, weil es nicht ihren Vorstellungen von einer Beziehung entspricht.
Gerade bei dem Thema Sex liest man immer wieder "tu's nur, wenn du auch Lust dazu hast".
Ich frage mich, ob das nicht auch ein Problem unserer Gesellschaft sein könnte.
Wenn man sich zu einer monogamen Beziehung entschließt, sind bestimmte Dinge außerhalb der Beziehung eben tabu.
Im Umkehrschluss muss man doch dann gemeinsam Wege finden, dass sich beide mit der Monogamie halbwegs wohl fühlen.
Der sich distanzierende Part (das muss ja nicht immer die Frau sein) sitzt hier am längeren Hebel, da er die Macht hat.
Auf andere liebevolle Gesten hat man auch nicht immer Lust, man macht es eben dem Partner zu liebe und selten bricht einem ein Zacken aus der Krone oder man wird traumatisiert.
Ich finde, so wie man sich bei der gemeinsamen, abendlichen Filmauswahl irgendwie einig wird (heute mal Krimi, morgen dann wieder Liebesfilm) kann man doch auch beim Sex einen Mittelweg finden.
Gerade dann, wenn man den Anspruch hat, der Partner/die Partnerin darf seine Interessen nicht anderswo ausleben, ist man doch automatisch teil des Systems und trägt Mitverantwortung.


susie 40 schreibt am 26.12.2020

Warum befriedigt er sich nicht selbst? Warum soll sie dies tun, er will doch Sex. Es gibt auch Menschen die wollen 1x im Monat oder 1x im halben Jahr Sex. Es ist so übertrieben dieses ständige Sexpflicht. Was oben geschildert ist, ist für mich schon starke Belästigung.

Katrin schreibt am 02.01.2021

Es ist eine riesen Belastung für die Frau, wenn man den Mann im Prinzip nie befriedigt bekommt, weil er jeden Tag will! Jeden Tag!!! Das ist so unprickelnd, das ist Alltags Pflicht, was echt langweilt, da man es jeden Tag tun soll oder es erwartet wird.
. Diese Männer machen sich damit total unattraktiv und unglaubwürdig. Für mich geht es nicht oberflächlicher, wenn man keine andere hobbies hat, das Leben besteht doch nicht vordergründig aus Sex?! Und ja, er soll es sich bitte selber machen wenn die Frau müde oder nicht in Stimmung ist, warum muss sie ihn bedienen??? Das hat längst nichts mehr mit Liebe zu tun, sondern diese Männer wollen nur ihrem Trieb nachgehen. Wie ätzend.


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