Was tun, wenn man sich trennen will, aber Angst und Schuldgefühle hat?

Sie möchten sich von Ihrem Partner trennen haben aber Angst und Schuldgefühle? 10 hilfreiche Denkweisen, die eine Trennung erleichtern können.

Was tun, wenn man sich trennen will, aber Angst und Schuldgefühle hat?
© Danielle MacInnes, unsplash.com

Haben Sie schon seit langem die Hoffnung verloren, dass Ihre Partnerschaft sich noch zum Besseren wenden kann? Werden wichtige Bedürfnisse von Ihnen in der Partnerschaft nicht erfüllt? Haben Sie den Eindruck, von Ihrem Partner nicht so akzeptiert zu werden, wie Sie sind? Gelingt es Ihnen und Ihrem Partner schon seit langem nicht mehr, Konflikte zu lösen? Schweigen Sie und Ihr Partner sich nur noch an? Fehlen Ihnen gemeinsame Lebensziele? Und bleiben Sie trotz all dieser gewichtigen Gründe dennoch in Ihrer Partnerschaft? Schieben Sie die Entscheidung zur Trennung schon seit Wochen, Monaten oder Jahren vor sich her?

Dann müssen Sie sehr gewichtige Gründe geben, die Sie in der Partnerschaft verharren lassen. Viele Menschen brauchen sehr lange, um sich aus einer Partnerschaft zu lösen, bzw. schaffen es überhaupt nicht. Während es auf jeden Fall eine wichtige Fähigkeit ist, durchzuhalten und für ein Ziel zu kämpfen, kann das Verharren in einer gestörten Partnerschaft auch seelisch und/oder körperlich krank machen.

Warum hat man Angst, sich zu trennen?

Menschen, die Trennungsangst haben und deshalb die Trennung immer wieder hinauszögern, haben in der Regel folgende Gedanken:

  • Ich kann das meinem Partner nicht antun. Er hat so viel für mich getan.
  • Mein Partner kann ohne mich nicht leben.
  • Meine Kinder sollen in einer richtigen Familie aufwachsen.
  • Ich will meinem Partner nicht wehtun.
  • Ich fühle mich verantwortlich für meinen Partner.
  • Mein Partner hat es nicht verdient, er ist ein wirklich guter Mensch.
  • Mein Partner wird mich für immer hassen.
  • Ich breche meinen Eltern das Herz, wenn ich mich trenne.
  • Finanziell ist eine Trennung für uns beide eine Katastrophe. Wir verlieren alles, was wir uns aufgebaut haben.
  • Meine Kinder werden es mir nie verzeihen, dass ich mich getrennt habe.


Wenn auch Sie solche Befürchtungen haben, dann ist es verständlich, dass Sie unter Schuldgefühlen und Trennungsängsten leiden, die es Ihnen schwer oder unmöglich machen, sich zu trennen. Schauen wir uns diese Argumente genauer an und überlegen, was an diesen Ängsten dran ist und wie eine angemessene Sichtweise aussehen könnte, die es Ihnen erleichtern kann, sich zu trennen.

10 hilfreiche Sichtweisen auf häufige Angstgedanken einer Trennung

Gedanke 1: Ich kann das meinem Partner nicht antun. Er hat so viel für mich getan.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Sie haben wahrscheinlich alles versucht, Ihre Partnerschaft zu retten. Sie tun Ihrem Partner nichts an, wenn Sie sich von ihm trennen. Langfristig helfen Sie sich und Ihrem Partner, wieder mehr Zufriedenheit zu finden. Auch wenn Ihr Partner viel für Sie aufgegeben oder gemacht hat, bedeutet dies nicht, dass Sie in einer unglücklichen Partnerschaft bleiben und ihm Liebe vormachen müssen.

Gedanke 2: Mein Partner kann ohne mich nicht (über)leben.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Ihr Partner hat vor Ihrer Partnerschaft überlebt. Weshalb sollte er es jetzt nicht mehr können? Statt zu grübeln, ob er überleben kann oder nicht, sollten Sie überlegen, wie Sie oder andere Menschen ihm bei der Bewältigung der Trennung unterstützen können.

Gedanke 3: Meine Kinder sollen in einer richtigen Familie aufwachsen.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Das ist ein guter Wunsch, doch Wünsche lassen sich nicht immer verwirklichen. Die Situation ist für Sie und Ihren Partner leider so, dass Sie nicht in einer harmonischen Partnerschaft zusammen leben können. Eine Familie, in der es überwiegend Streit, Rückzug und unglückliche Familienmitglieder gibt, ist ebenfalls keine geeignete Atmosphäre für eine gesunde Entwicklung Ihrer Kinder. Wenn Sie sich trennen, können Sie Ihren Kindern vorleben, wie man Probleme lösen kann. Außerdem können Sie und Ihr Partner sich darauf konzentrieren, dass Ihre Kinder sich möglichst gut mit zwei getrennten Familienumfeldern arrangieren können.

Gedanke 4: Ich will meinem Partner nicht wehtun.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Ihre Gedanken zeigen zunächst einmal, dass Sie sich um Ihren Partner sorgen. Es gibt in Wirklichkeit aber keinen Weg, Ihrem Partner Schmerz zu ersparen. Selbst wenn Sie ihm zeitlebens Liebe vorspielen würden, beraubten Sie ihm der Möglichkeit, wirkliche Liebe zu bekommen. Eine Trennung ist gewöhnlich für beide Partner mit Schmerz und Verlusten verbunden. Derjenige, der geht, empfindet ihn zeitlich nur früher. Wenn Sie sich aus der Partnerschaft lösen, wird Ihr Partner erst einmal mit einem Verlust konfrontiert, aber die Trennung eröffnet ihm die Möglichkeit, einen anderen Partner zu finden.

Gedanke 5: Ich fühle mich verantwortlich für meinen Partner.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, ist ein wesentliches Merkmal erwachsener Menschen. Solange Sie jedoch vom Gericht nicht als Vormund für Ihren Partner bestimmt wurden, können Sie keine Verantwortung für Ihren Partner übernehmen - weder für seine Gefühle noch für sein Verhalten. Durch die Trennung von ihm verändern Sie zwar seine Situation, aber wie er damit umgeht, liegt in seiner Verantwortung. Sie und Ihr Partner haben sich zwar für eine gemeinsame Partnerschaft entschieden, aber nun hat sich die Situation geändert. Ihre wichtigsten Bedürfnisse werden nicht mehr erfüllt. Sie müssen nun Verantwortung dafür übernehmen und sich von Ihrem Partner trennen. Möglicherweise kann dieser nach einiger Zeit die Trennung als wirkliche Chance sehen.

Gedanke 6: Mein Partner hat es nicht verdient, er ist ein wirklich guter Mensch.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Es gibt in dieser Welt keine Gesetzmäßigkeit, wonach guten Menschen nur Gutes widerfährt. Wenn Sie sich trennen, dann tun Sie dies nicht, um Ihren Partner zu strafen. Sie trennen sich, weil das, was Sie und Ihr Partner sich zu Beginn der Partnerschaft ausgemalt haben, nicht oder nicht mehr zu verwirklichen ist, Sie Ihrem Partner keine Liebe mehr entgegenbringen können und unglücklich sind.

Gedanke 7: Mein Partner wird mich für immer dafür hassen.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Sie sind kein Hellseher und wissen deshalb nicht, ob Sie Ihr Partner wegen der Trennung hassen würde. Wenn ja, wissen Sie nicht, ob dies auf Dauer sein würde. Gewöhnlich durchläuft ein Mensch, der verlassen wurde, verschiedene Phasen mit den unterschiedlichsten Gefühlen, Wut gehört auch dazu. Selbst wenn es aber so wäre, dass er Sie auf Dauer hassen würde, müsste dies kein Grund sein, mit ihm weiterzuleben.

Gedanke 8: Ich breche meinen Eltern das Herz, wenn ich mich trenne.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Wenn Sie in Ihrer Partnerschaft auf Dauer unglücklich sind, dann würde Ihren Eltern eine Trennung sicher sehr leidtun, aber sie könnten lernen, damit zu leben. Eltern wünschen sich gewöhnlich für ihr Kind, dass es glücklich ist. Wenn Ihre Eltern über Ihre Trennung unglücklich sein würden, dann auch deshalb, weil sie die Erwartung hatten, dass Sie mit Ihrem Partner für immer zusammenbleiben sollten.

Gedanke 9: Finanziell ist eine Trennung für uns beide eine Katastrophe. Wir verlieren alles, was wir uns aufgebaut haben.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Es ist sicherlich bedauerlich, wenn Sie vieles von dem, was Sie und Ihr Partner aufgebaut haben, durch eine Trennung verlieren. Die Frage ist, ob das, was Sie verlieren werden, vergleichbar ist mit dem, was Sie verspüren und erleben, wenn Sie in einer unglücklichen Partnerschaft bleiben.

Gedanke 10: Meine Kinder werden mir nie verzeihen, dass ich mich getrennt habe.

Hilfreiche und angemessene Sichtweise:
Ihre Kinder in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen, ist ein wichtiger Punkt. Doch letztendlich können Sie nicht wissen, wie Ihre Kinder kurz- und langfristig auf die Trennung reagieren werden. Sie und Ihr Partner bestimmen mit Ihrem Verhalten aber maßgeblich, wie Ihre Kinder die Trennung verarbeiten. Ihre Kinder haben zudem noch nicht das Wissen und die Erfahrung, um wirklich nachvollziehen zu können, wann man sich von einem Partner trennen muss und wann nicht.

Was Sie sich in Erinnerung rufen sollten

  • Sie haben sich für die Partnerschaft mit Ihrem Partner entschieden, weil Sie glaubten, dass er der Richtige für Sie ist. Vielleicht hat sich diese Einschätzung schon sehr bald als falsch herausgestellt. Vielleicht aber haben auch innere und äußere Veränderungen dazu beigetragen, dass sie sich im Laufe der Zeit voneinander und von gemeinsamen Zielen entfernt haben.
  • Die Tatsache, dass Sie die Partnerschaft beenden wollen, bedeutet nicht, dass Sie ein schlechter Mensch sind und etwas Unmoralisches tun – selbst wenn Ihr Partner Sie so sehen könnte.
  • Würden Sie gerne in der Rolle Ihres Partners sein, dem nur vorgespielt wird, dass man ihn liebt, und der sich sehnsüchtig eine Trennung herbeiwünscht?
  • Je länger Sie warten, aber gleichzeitig nichts dafür tun (können), dass sich die Partnerschaft bessert, desto mehr Zeit vergeuden Sie für sich und Ihren Partner. Keiner von ihnen beiden kann sich auf den Weg machen, sein Leben mehr nach seinen Vorstellungen zu gestalten.

Die Entscheidung, sich zu trennen, können nur Sie treffen. Es ist in Ordnung, sich Zeit für diese Entscheidung zu lassen. Wenn Ihre Gefühle Ihrem Partner gegenüber schon lange abgestorben sind und Sie nur aus Pflichtbewusstsein, Mitleid oder Angst vor seiner Reaktion bei ihm bleiben, dann nehmen Sie sich die Chance auf ein besseres Leben - und zwar für Sie beide.

Eine Fallgeschichte

Eine Leserin schreibt:

Ich bin seit 41 Jahren mit meinem Mann verheiratet. Seit Jahren leide ich darunter, dass er bestimmte Erledigungen zusagt und dann aber nicht ausführt. Dadurch haben wir schon erhebliche Probleme mit unserer Bank und bei Behörden bekommen. Ich kann mich auf nichts bei ihm verlassen.  Spreche ich ihn darauf an, rastet er aus oder bricht das Gespräch einfach ab. Vor einer Trennung schrecke ich aber zurück, denn ohne mich ist mein Mann verloren.

Dr. Doris Wolf antwortet:

Es ist eine beachtliche Leistung, dass Sie so viele Jahre Ihres Lebensweges mit Ihrem Mann geteilt haben. Wie viele Enttäuschungen und wie viel Ärger haben Sie in all dieser Zeit mit ihm erlebt. Wie viel Kraft muss es Sie gekostet haben, auszubügeln, was schief gelaufen ist. Und doch muss es etwas geben, was sie bei Ihrem Mann gehalten hat. Vielleicht die Hoffung auf eine Änderung oder das Gefühl, von einem anderen Menschen gebraucht zu werden? Jetzt scheint dieser „Bonus“ aufgezehrt und Sie spüren Kraftlosigkeit und Ärger stärker.

Machen Sie Ihre Entscheidung, ob Sie sich trennen sollen oder nicht, nicht davon abhängig, ob Ihr Mann Sie braucht oder nicht. So lange Ihr Mann nicht pflegebedürftig ist, können Sie auf jeden Fall frei entscheiden. Wenn Sie sich von Ihrem Mann trennen, kann dies für ihn auch eine Chance sein, dazu zu lernen. Möglicherweise ist sein Verhalten aus einem Zusammenspiel zwischen Ihnen und ihm entstanden und er ist viel selbstständiger, als er es Ihnen in der Partnerschaft gezeigt hat. Vielleicht hat er einfach nur seinen eigenen, ganz persönlichen Weg, mit Problemen, Behörden, etc. umzugehen. Und wenn er wirklich bei vielem Hilfe benötigt, dann kann dies vermutlich auch eine andere Person übernehmen.

Fragen Sie sich stattdessen, um eine Entscheidung treffen zu können:

  • Welche positiven Gefühle verbinden mich noch mit meinem Mann?
  • Haben wir noch gemeinsame Lebensziele?
  • Bin ich bereit, meinen Mann so zu akzeptieren, wie er ist?
  • Werden meine wichtigsten Bedürfnisse in der Partnerschaft erfüllt?
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Andre Roberto schreibt am 03.10.2022

Ich war vier Jahre mit einer Freundin zusammen und plante, ihr einen Antrag zu machen. Dann, eines Tages, sagte sie, sie wolle eine Pause machen, um die Dinge herauszufinden. Das war vor etwa vier Jahren. Sie heiratete ungefähr zwei Jahre nach ihrer „Pause“ einen Kollegen, von dem ich später mit Hilfe von hackgoodnesstech auf insta herausfand, dass sie mich die ganze Zeit, in der wir zusammen waren, betrogen hatte. Ich war damals am Boden zerstört, aber jetzt denke ich, es war alles zum Besten. Außerdem ist es eine kleine Welt, weil ihr Mann sie mit jemandem betrügt, den ich kenne. Danke Karma!


Bettina schreibt am 26.09.2022

Ich habe diesen Artikel nun schon so oft gelesen, Frau Wolf, und immer wieder hilft er mir und hilft er mir. Vielen Dank. Ich habe mich nach 20 Jahren Ehe von meinem Mann getrennt und selbst nach über 2 Jahren ist es nicht leicht, wegen der Kinder, wegen der Finanzen... Aber nicht wegen der Partnerschaft....

Ihre wohlbedachten Sichtweisen machen es mir leichter, für mein neues Leben einzustehen. Herzliche Grüße Bettina


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 Warum hat man Angst, sich zu trennen?
 10 hilfreiche Sichtweisen auf häufige Angstgedanken einer Trennung
 Eine Fallgeschichte
 Weitere Informationen zum Thema Trennung und Scheidung
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